Das Monster im Zweiten Stock
- 4. Nov.
- 2 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 8. Nov.
Von Klara Nöthen

Ich bin Joachim, Joachim Heuerlein, 76 Jahre, beheimatet in der Bergstraße 82, 1. Stock. Eigentlich fühle ich mich hier wohl. Ich hatte nie überlegt auszuziehen – bis auf diesen einen Nachmittag im April. Danach wäre ich fast ausgezogen, hätte mich mein Freund Heinrich nicht zurückgehalten. Aber ich will dir erst mal erzählen, was an diesem Nachmittag Ende April passiert ist.
Also … ich stand in meiner Küche und kochte mir einen starken Kaffee ohne Milch und ohne Zucker. Doch plötzlich fiel ein Tropfen in meine Kaffeetasse. Er kam nicht von der Kaffeemaschine. Und da noch einer. Ich blickte nach oben. Da – die Tropfen kamen aus der Decke. Was war da los? Da oben, das war doch die Wohnung von meinem Freund Heinrich. Ich stellte die Tasse ab und ging durch die Wohnungstür ins Treppenhaus. Dort hatte sich ein kleiner Bach gebildet, der die Treppe hinabfloss. Ich lief die Treppe hinauf, bis ich an Heinrichs Tür ankam. Zuerst klingelte ich, doch es öffnete keiner. Da fiel mir ein, dass ich einen Zweitschlüssel hatte. Also schloss ich auf. Ein Schwall Wasser kam mir entgegen. Was war denn da los? Ich rieb mir die Augen. Das konnte doch nicht sein. Da stand mein Freund Heinrich, ringend mit einem riesigen Monster.
„Joachim“, rief Heinrich, „das Monster ist aus dem Abfluss gekommen und es will nicht mehr zurück! Miriam ist einkaufen.“ Miriam ist Heinrichs Tochter, die momentan zu Besuch war. Ich sprintete zu Heinrich, was nicht so leicht war, weil im Wohnzimmer das Wasser bis zu den Knien stand. „Lass ihn in Ruhe!“, rief ich. Und das Monster ließ wirklich von meinem Freund ab. Dieser fiel in sich zusammen, und ich sah nur noch Luftblasen. (Das Wasser reichte mir bis zum Bauch.) Ich erschrak: War Heinrich tot? Er war doch mein bester Freund. Das Monster kam immer näher. Es trieb mich in eine Ecke. Es beugte sich zu mir herab. Würde das mein Ende sein? Das Ende von mir, Joachim Heuerlein, dem langjährigen Bankmitarbeiter und Musterbürger?
Aber da fing das Monster an zu lachen. Erst leise und dann immer lauter. Ich stutzte. Was war denn mit dem Monster los? Und da plötzlich tauchte auch Heinrich wieder auf. „Ist gut, Miriam, wir haben den lieben Joachim genug gegruselt!“, lachte er. Das Monster nahm den Kopf ab, und darunter kam Miriam hervor. „Hallo Joachim!“, lächelte sie. Erst nach und nach begriff ich, dass die beiden mich veralbert hatten. Miriam hatte sich verkleidet, und Heinrich hatte nur so getan, als würde er mit ihr kämpfen. Nur das Wasser war echt, und dafür bekam Heinrich großen Ärger von der Hausmeisterin. Deshalb kann ich ihm auch nicht mehr böse sein.
Aber an diesem Tag wäre ich fast ausgezogen, hätte sich Heinrich nicht noch einmal entschuldigt (mit einer großen Flasche Sekt!). Ich hoffe trotzdem, dass mich nie wieder jemand so erschreckt.
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