Hip Hop, Pop oder Street Dance?!
Hip Hop, Pop oder Street Dance? Anna und Frau Moss schalten einfach die Musik an und lassen sich völlig ein auf die fließenden Bewegungen, ruckartigen Dancemoves und schnellen Schrittabfolgen des modernen Tanzes. Zusammen leiten sie in der Projektwoche am EMA 2024 einen energiegeladenen Tanz-Workshop, in dem sie zusammen mit einer bunt gemischten Schülergruppe in drei Tagen eine knackige Choreo einstudieren.
„We are One“
Dienstagmorgen, 9 Uhr: Ich öffne die Tür von E106 einen Spalt breit. Anna begrüßt mich in einer überraschend stürmischen Umarmung, willkommen sei ich. Fünf Jungen und neun Mädchen verschiedenen Alters in Street Wear schauen mich erwartungsvoll an, als ich meinen Block zücke. Sie stehen verteilt im Raum, Stühle und Tische wurden bereits zur Seite geschoben. Auf die Frage hin, ob ich denn schon einmal sehen wollte, was die Schüler bisher gelernt haben, schmeißt Anna die Musik – „We are One“ von Pitbull – an, positioniert sich vorne im Raum und eine schnelle und pfiffig ausgeklügelte Tanzsequenz beginnt.
Alles lazy, smooth und kraftvoll...
Den Raum erfüllt eine entspannte und doch motivationsberauschende Atmosphäre, die Gruppe ist locker und ich bin überrascht, wie frei und ungezwungen die Amateure tanzen. Taktsicher erfolgt eine federnde Schrittabfolge, Arme fliegen durch die Luft und setzen zu Punktdrehungen an, Köpfe kippen zur Seite und anmutig empfinden Schultern die Bewegung nach – der Tanz ist erfüllt von vielseitigen Tanzelementen und rhythmischen Bewegungsabfolgen, alles lazy, smooth und kraftvoll.
Nach der atemberaubenden Sequenz erfolgt eine atemberaubte Trinkpause und Anna kommt für ein kurzes Interview zu meinem Tisch (hier aus dem Englischen mediatorisch übertragen):
Meine Inspiration, dieses Projekt zu leiten? Letztes Jahr bei der Karnevalsaufführung hatte ich einen Tanz einstudiert und wurde total dafür gelobt! Ich tanze selber schon seit ca. 10 Jahren… Frau Moss hatte mich dann gefragt, ob ich nicht ein Tanzprojekt anbieten wollen würde - warum auch nicht! Joa, ich hab ehrlich gesagt am Anfang so fünf Leute erwartet, und als dann doch 18-20 Leute auf der Liste standen, war ich völlig aus dem Häuschen.
Tanzen ist eine Emotion, wie ein Instinkt, sagt Anna. „When I dance under the shower, I
don´t think, it´s natural“
„I´m no professor of some university!“
Als Konzept arbeite ich nicht mit strengen Vorgaben, ich belehre die Gruppe nicht über Sporttheorie, „I´m no professor of some university!“ Innerhalb der Bewegungen sollen die Schülerinnen und Schüler frei sein, so Anna. Als Beobachter konzipiere ich dieses Konzept beispielsweise bei verschiedenen Winkeln der Arme oder verschiedenen Richtungen der Ausfallschritte.
Natürlich habe ich von Anfang an eine komplette Choreo geplant und erstellt, aber sie bietet auch Platz für Improvisationen, Soli oder eine individuelle Interpretation der Tänzerinnen und Tänzer. Bei dieser gemischten Gruppe von Anfängern und Tanzerfahrenen binde ich auch immer Ideen und Veränderungsvorschläge der Gruppe ein!
Mein persönlicher Ansatz oder Ziel ist es, dass die Mädchen und Jungen im Projekt ihre Emotionen, Stolz und ein Sicherheitsgefühl im Tanz und darüber hinaus zum Ausdruck bringen können.
Als ich am zweiten Tag durch den Türspalt linse, fallen Wasserflaschen, Limonaden und diverse Knabbereien in mein Blickfeld. Der Grund: heute nach der harten Tanzarbeit soll erstmal gemütlich zusammen gegessen werden. „Gemütlich“ trifft es allerdings auch schon heute morgen ganz gut. Die versammelte Schülerschar schaut ein wenig verschlafen aus der Wäsche, einige sind vom Vortag ermattet (inklusive der Motivationstrainerin Anna). Andere bringen einfach nur die geballte sprühende Energielosigkeit eines Schülers am Mittwochmorgen mit.
Nichtsdestotrotz ist es beinahe erschreckend, wie viel die Mitglieder des Tanzkurses bis 9:15 Uhr wieder gelernt haben. Mir scheint, die Choreo habe sich längentechnisch verdoppelt; Soli von tatkräftigen Amateurinnen und Amateuren wurden offiziell in den Tanz eingebunden, wiederholt zählt Anna die Liedtakte, Arme schwingen durch die Luft und auch ein kleines Meer an Schülerköpfen wippt im Takt – auch wenn der ein oder andere Nacken eher vor leichter Schlaftrunkenheit mitfedert als vor rhythmischen Tanzgefühl.
Vergesst nicht eure Gefühle
„Vergesst nicht eure Gefühle, Freude und Energie - kommt schon, Leute!“, ruft Anna motiviert in die Runde.
Langsam wacht die Gruppe auf, es wurde auch Zeit. Schließlich ist heute der Tag, an dem die gesamte Choreo vor laufender Kamera gefilmt werden soll. Dazu wurde ein Fachmann zurate gezogen, nämlich der Vater eines Ukrainers, der ebenfalls in Annas Sportprojekt das Tanzbein schwingt. Ohne großes Brimborium wird die Profikamera gezückt, einzelne Ausschnitte und Einstellungen ausprobiert und nach Rücksprache des Filmers mit Frau Moss und Anna kann der Dreh beginnen.
Natürlich wird der Tanz nicht nur einmal durchgeführt, sondern bis zum Abwinken durchgetanzt.
Mal muss hier ein Schritt korrigiert werden, ein anderes Mal muss dort eine andere Filmeinstellung erfolgen und so weiter. Das Überraschungsmoment allerdings erfolgt, als die ausgelastete Tanzgruppe bunte Farbbeutel zückt und vielfarbiges Pulver die Tanzenden und den EMA-Schulhof (sehr zum Leidwesen der Hausmeister) übersäht.
Welche Wirkung das im Video bezweckt, das siehst du unten, wo wir euch den Film zu Verfügung stellen dürfen – ein Dank geht hier schon mal an die Darsteller und den Kameramann!
Nach diesem aufregenden Filmerlebnis setzen sich die Erschöpften nun bei Brötchen und Saft zum Verschnaufen zusammen, wo auch ich es mir in dem ein oder anderen Gespräch gemütlich machen darf.
Lukas Busskamp
Am Donnerstag ist nichts mehr von der heiteren Tänzertruppe zu sehen, keine wilde Performance aufem Schulhof, keine Fleißarbeit in E106. Stattdessen gönnt sich das Team heute eine Exkursion zur Bildungseinrichtung „Abenteuer Lernen“ in Bonn-Beuel. Da ich nicht mitkommen konnte, erfolgt an dieser Stelle ein kleiner Bericht von Anna:
Nach einer kurzen Einführung haben wir unsere Choreographie von „We are one“ gezeigt. Alle waren total begeistert davon! Danach ging es aber in die Wildnis zum Stöcke- und Pflanzensammeln, woraus wir dann im Labor vor Ort die Säfte und Farben extrahierten. Eine erstaunliche Bandbreite an diversen Farben eröffnete sich vor uns – einzig aus Materialien und Zutaten natürlichen Ursprungs wie beispielsweise Pflanzenessenzen, Extrakte von grünen Blättern und Gemüsefarben wie von Rote Beete und Kurkuma.
Einerseits lernten wir, wie man Farben mit heißem Wasser herauslöst, auf der anderen Seite wurde uns gezeigt, wie wir die einzelnen Farben mit Zitronensaft oder Natron verändern konnten! Schlussendlich malten wir dann super individuelle Bilder mit unseren extrahierten Farben auf Aquarellpapier – so viele verschiedene Nuancen und Schattierungen!
Das war ein wirklich schönes Erlebnis und ein herrlich geselliger Abschluss vom Projekt „Denk nicht. Tanz!“
Drei Tage voller Training, Tanz, Sport&Spaß, neuer Erfahrungen und befreiender Bewegungen, voller Farbpulver und Farbsäften, voller Motivation und der tänzerischen Überwindung des inneren Schweinehundes gingen mit einer erfolgreichen und stolzen Schlusschoreographie zu ende. Aber wer weiß, ob nicht in diesem Projekt die ein oder andere Person seine inneren Tänzer entdeckt hat…?